Sehr, sehr lange her.

  

„Heute habe ich Schlupftag“, jubelte Tijalk. Horus und Neelix schauten sie nur verständnislos an. „Du hast was“? Fragte Horus. „Nun, ich habe Schlupftag. Das ist das Selbe wie bei den Menschen. Nur die sagen eben Geburtstag dazu. Ich bin heute vier Jahre alt. Also bin ich heute, auf den Tag genau, vor vier Jahren aus dem Ei geschlüpft und ihr müsst jetzt alle Häääpiiiie Schlupfday singen“. Tijalk kicherte vor sich hin und nur Neelix schaut ein wenig brummelig aus der Wäsche.

Ich betrachte mir meine Vogelbande, wie sie auf den Stangen sitzt und sich gegenseitig neckt. Nur Neelix scheint irgendwie in Gedanken zu sein.

„Mag ja sein, dass du hier die Zweitälteste bist, meinte er nun, doch eines ist Sicher. Wir Kakadus sind dafür die ältere Spezies. Jaaa, auch ich kenne Fremdwörter. Nicht nur du“. Er hatte seine Kopfhaube gesträubt und seine Brust war von Stolz geschwollen. „ Das kann ja überhaupt nicht sein, meckerte das kleine Geburtstag, nein, Schlupftagskind. Wir Mohrenkopfpapageien, sind viel älter als ihr ollen Kakadus“.

 

„Da kann ich ja nur lachen. Ihr und älter. Paaahhhhhh, ist ja zum prusten. Nein, du Krümel, wir sind viel älter und ich kann das auch beweisen“. „Wie denn“? Wollte Tijalk gleich wissen. Und auch ich war gespannt, wie er sich jetzt aus der Afaire ziehen wollte. Er hatte wieder einmal mehr, seinen Schnabel zu voll genommen. Also machte ich es mir so richtig in meinem Sessel bequem und sah mir die Sache an, wie sich Neelix jetzt wieder heraus wurschteln wollte.

 

„Das ist doch ganz einfach. Schau mal, oben auf meinem Kopf. Was siehst du da“? Horus und Tijalk sahen sich die hochgestellte Haube an und anstelle von Tijalk antwortete nun Horus. „Nun, was wir da sehen, ist so etwas Ähnliches wie ein Regenschirm. Jede Menge Federn, die kein Vogel so richtig braucht und die wirklich keinen besonderen Sinn erfüllen, außer dass du sie immer hoch stellst, wenn du mal wieder so angeben willst, wie jetzt gerade im Moment“.

 

„Kraaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhh, was erdreistest du dich, du kleiner grüner Wicht? Das ist ja geradezu unerhört, was du da von dir gibst. Neeiiin. Diese Federhaube, hat sich im laufe von Millionen von Jahren gebildet. Und es ist nun ganz einfach zu sehen, dass meine Familie viel älter ist als eure, weil ihr ja noch keine solche schöne Haube habt“.

 

Ich grinste vor mich hin. Das hat der kleine Gangster doch recht gut erklärt. Tijalk und Horus sahen sich an, konnten aber auf dieses Argument nicht wechseln. Doch Neelix war durch die Aussage von Horus so richtig ärgerlich geworden. Er schrie ihn an und versuchte sogar einmal nach ihm zu beißen.

 

Ich habe es überhaupt nicht gerne, wenn einer der Vögel nach dem anderen beißt und ich überlegte, wie ich ihnen das abgewöhnen könnte. Es macht mich immer traurig, wenn es zu einem solchen Verhalten kommt. Aber noch mischte ich mich nicht ein, denn……

 

Es kam wie es kommen musste und wenn ich ehrlich bin, hatte ich auch schon darauf gewartet, was jetzt kommen würde.

Tijalk sah Hilfesuchend zu mir herüber und dann kam wieder das lang gezogene Papa.

 

„Paaaapaaa? Ist das würklich wahr? Es kann doch nicht sein, dass die ollen Kakadus würklich älter sind als wir Papageien. Ich kann das nicht glauben und die Haube auf seinem Kopf kann doch kein Beweis sein, oder“?

 

Ach, sagte ich. Wenn ihr wüsstet, wie sehr ihr alle falsch liegt. Keine von den Tierfamilien ist älter als die andere. Denn alle haben ein zweites Mal anfangen dürfen. Das ist jetzt schon so lange her, aber eine recht schöne Geschichte. Wenn ihr möchtet, werde ich sie euch vielleicht irgendwann einmal erzählen. Jetzt aber möchte ich erst einmal in Ruhe diese Fernsehsendung zu Ende sehen.

 

Da hatte ich aber etwas gesagt. Schnell, wie noch nie, kamen alle drei aus ihrem großen Käfig nach draußen und setzten sich zu mir. Ich saß bequem in meinem Sessel, hatte ein Bein über das andere geschlagen und auf dem Knie machte sich Tijalk ein ruhiges Plätzchen. Horus war auf die linke und Neelix auf der rechten Armlehne gelandet und schauten mich erwartungsvoll an.

Ich beachtete sie nicht weiter, bis Tijalk meinte:“ Ist dies doofe Sendung denn würklich so wichtig, dass du uns nicht sofort erzählen kannst, was da damals geschehen ist und warum wir alle gleich alt sein sollen“?

So ganz beiläufig schob Neelix mir, mit seinem Schnabel, die Fernbedienung an meine Hand. Ich lachte, ergriff sie, schaltete damit den Fernseher ab und begann die Geschichte zu erzählen.

 

Wisst ihr? Es ist so unheimlich lange her, dass es kaum noch ein Mensch, geschweige denn ein Tier weiß. Damals, es muss so ungefähr 5700 oder 5800 Jahre her sein, ist auf der Erde etwas Gewaltiges geschehen. Doch das warum zu erklären ist für den Menschen nicht gerade rühmlich. Zu dieser Zeit, war der Mensch so richtig böse. Er glaubte nicht mehr an Gott und stattdessen hatte er sich eigene Götter geschaffen, davon Bildnisse gemacht, die sie dann angebetet haben.

Aber das ist noch nicht alles. Sie waren seinerzeit, wie von Sinnen. Den erfundenen Göttern haben sie ihre erstgeborenen Kinder geopfert.

„Was heißt denn, geopfert“? Wollte Neelix wissen.

Das ist leicht zu erklären aber sehr schwer zu verstehen. Sie legten ihre kleinen Kinder, meist waren es noch Babys auf einen Stein, und schnitten ihnen die Adern auf, damit das Blut über den Stein lief, der ja den Altar für die Götzen darstellte. Sie ließen ihre eigenen Kinder verbluten oder schlachteten sie ab um für eine bessere Ernte, oder auch nur für Regen zu beten. Stellt euch das vor. Sie beten zu Dingen und Figuren, die sie selber gemacht hatten und töteten ihre Kinder, um etwas besser dazustehen.

Ich musste bei diesem Gedanken den Kopf schütteln. „Die waren aber doof“, sagte Horus und zog ein Beinchen an um sich so, bequem sitzend, den Rest der Geschichte anzuhören.

 

Die Pupillen von Tijalk zogen sich auf ganz kleine Punkte zusammen. Das macht sie immer, wenn ihr etwas unter die Haut ging. Doch sie gab keinen Laut von sich und wartete gespannt darauf, dass ich weiter erzählen würde.

 

Nun, fuhr ich fort, es gab eine Ausnahme bei den Menschen. Es war ein Mann und seine Familie. Sein Name war Noeh. Doch die meisten Menschen kennen ihn nur unter dem Namen Noah.

Er war ein rechtschaffener Mann. Er betete nicht zu den Götzen, sondern zu unserem richtigen Gott. Dem Wesen, das uns alle geschaffen hat. Er hatte drei Söhne, Sem, Ham und Jafet und er wäre nie und nimmer auf die Idee gekommen, einen von ihnen für diese Götzen zu opfern. Dafür liebte er sie auch viel zu sehr.

Nun, was soll ich sagen? Gott hat sich das eine ganze Weile angesehen und dann wird er wohl die Schnauze voll gehabt haben. Er war stocksauer und faste einen folgenschweren Plan. Er wollte eine Flut über die Erde schicken, oder besser gesagt über einen sehr, großen Teil der Erde, der schon mit Menschen bevölkert war.

 

Aber er wollte doch nicht alle Lebewesen vernichten. Er mochte Noah und deshalb rief er ihn.

„ Hallo Noah. Nimm dir mal etwas Zeit, denn ich habe ein Anliegen an dich. Ich möchte dass du etwas für mich tust“.

Noah, blieb sofort stehen und fragte, was denn anliegen würde und was er für Gott machen dürfe. Gott erklärte ihm dann, dass er einen riesigen Kahn oder ein Schiff bauen sollte. Er nannte dieses Schiff, eine Arche. Sie musste aber von riesigen Ausmaßen sein, weil sie für einen ganz besonderen Zweck sein sollte. Nun wurde Noah natürlich sehr neugierig und er fragte weiter, was denn so Besonders sei, dass er einen solchen Kahn bauen musste. Gott erklärte ihm dann, wie sauer und böse er auf die Menschen war und dass er sie in einer großen Flut ertränken wollte. Ich will euch jetzt nicht die ganze Diskussion erzählen, die Noah mit Gott führte, sondern ich möchte gleich zum Punkt kommen. Noah begann also die Arche zu bauen.

Die war so riesig, dass er sehr lange dafür brauchte. Doch er machte zügig weiter, so wie es in seinen und in den Kräften seiner Familie lag, die ihm alle dabei halfen. Gott hatte ihnen jede Menge an Holz besorgt und alle waren fleißig bei der Arbeit. Ihr könnt euch natürlich vorstellen, dass sie von allen anderen Menschen ausgelacht worden sind. Und es liegt auch auf der Hand, dass sie ihnen das Leben sicherlich nicht leicht gemacht haben. Aber Noah baute fleißig weiter und als dann nach endlos langer Zeit der Archenbau dann fast fertig war, geschah ein kleines Wunder. Hm? Was heißt ein kleines Wunder? Es war doch schon ein sehr großes Wunder, dass wirklich auch nur Gott zustande bringen kann.

Gott sagte zu Noah, dass er von bestimmten Pflanzen, je ein Paar mit an Bord nehmen sollte. Dann musste er auch noch jede Menge an Futter einladen. Mensch, muss das damals für die kleine Gruppe, eine schlimme Schlepperei gewesen sein. Als dann all diese Sachen auf der Arche waren, bekam er den nächsten Befehl. Und hier fängt eigentlich die Geschichte für euch an. Denn er sollte von jeder Tiergruppe, auch ein Paar Exemplare mit auf die Arche nehmen.

Noah muss ganz schön verdutzt geguckt haben, als er das von Gott gehört hat. Denn stellt euch doch mal vor, ich würde sagen, dass ihr das machen müsst. Noah hat sich sicherlich gefragt, wie er an all diese Tiere kommen solle. Doch das war gar nicht so schwer, wie er es geglaubt hatte. Denn die Tiere kamen zu ihm. Da waren dann ein Paar Löwen, Tiger, Giraffen, Zebras, Schweine, Stinktiere und von jeder Vogelsorte, die in diesem Gebiet lebte auch ein Paar.

Ich brauche euch jetzt wohl nicht zu erzählen, dass auch ein Paar Weißhaubenkakadus und Mohrenkopfpapageien mit dabei waren. Nicht wahr? Also, lass mich überlegen, wie es dann damals weiter gegangen war. Ach ja. Nun habe ich den Faden wieder. Noah begleitete jedes Tier auf dem für sie angewiesenen Platz auf der Arche. Die Raubtiere kamen zu den Raubtieren, die Grasfresser mit anderen Grasfressern zusammen und die Vögel kamen natürlich mit anderen Vögeln zusammen. Dann ging so langsam die Türe der Arche zu und das letzte was alle hörten, die im Inneren der Arche waren, war das Lachen der Menschen, die draußen standen und sich über die ganze Sache lustig gemacht hatten.

Dann war es soweit. Es zogen düstere Wolken auf und es begann zu regnen. Aber wie. Es goss wie aus ganzen Badewannen und dann dauerte es nicht lange, bis die Erde das Wasser nicht mehr aufnehmen konnte und der Wasserstand immer mehr erhöhte. So langsam haben dann die Menschen da draußen auch begriffen, dass sie auf Dauer, dieser Flut nicht entkommen konnten und sie begannen auf die Arche zu klettern. Doch sie hatten nicht mit Gott und sie hatten auch nicht mit der Hilfsbereitschaft der Tiere gedacht, die bei Noah waren. Denn Noah öffnete einige der Luken, die nach außen auf das obere Deck führten und ließ die Raukatzen hinaus. Die sorgten innerhalb von ganz kurzer Zeit, dass sich keiner mehr auf der Arche aufhielt, der nicht von Gott dazu ausersehen war.

Tagelang hielt der Regen an. Und außer dem Trommeln der dicken Tropfen auf dem Holz der Arche, waren vielleicht noch die Stimmen von Noahs Familie und die der vielen Tiere zu hören.

 

Es muss viel Arbeit gewesen sein. All das Saubermachen der ganzen Tierställe. Mich wundert nur, dass in dieser Zeit, kein Tier, das andere angegriffen hat. Doch das war dann wohl auch so von Gott geplant und eingerichtet worden. Ich glaube, durch die Schaukelei, von dem Kahn, war es allen nicht so recht nach essen zu mute. Auf jeden Fall, ist keines der Tiere, während dieser Zeit umgekommen. Der Regen dauerte 40 Tage und 40 Nächte. Dann endlich ließ das Trommeln der Regentropfen auf dem Holz nach und es wurde sehr ruhig in der Arche. Alle wussten, dass es nun so langsam ein Ende haben würde. Alle Lebewesen, die noch auf der Erde waren, dürften inzwischen schon ertrunken gewesen sein.

 

„Halt, dass kann doch nicht stimmen, wurde ich von Horus unterbrochen. Die Vögel, die draußen lebten, hatten doch Flügel und konnten doch in der Höhe der Lüfte sich retten“.

 

Das ist sicher richtig, mein kleiner Freund. Aber sie mussten dann aber schon sehr gewaltige Strecken fliegen, ohne dass sie sich niederlassen konnten. Denn es gab keinen Platz, wo sie sich hätten ausruhen können. Sicherlich haben die stärksten und gesündesten unter den Vögeln, die Strecke auch geschafft, bis sie eine Stelle fanden, wo sie landen konnten. Doch das soll jetzt auch nicht unser Thema sein. Kessie und Frada, dass waren die beiden Mohrenkopfpapageien, saßen in der Nähe von Abaras, dem Raben. Der war schon seit einigen Tagen sehr schlecht gelaunt. Er hatte zwar noch keinem anderen Tier etwas getan, doch er war oft sehr ungehalten und hat extrem grob reagiert, wenn ein anderes Tier ihn angeschupst hatte, weil es ja sehr eng auf der Arche geworden war.

„Ich will endlich aus diesem verdammten Kasten heraus, fauchte er vor sich hin. Ich habe genug von diesem Geschaukel und ich habe genug von diesem Gestank hier drinnen. Ich will keinen anderen mehr von euch sehen und ich will keinen von euch mehr hören. Ich will hier raus, sonst passiert noch ein Unglück“.

 

Kessie, die kleine Papageiendame, war von diesen bösen Worten ganz schön schockiert. „Meinst du, flüsterte sie ihrem Frada zu, ich sollte mal mit Noah über den Raben sprechen? Wenn dessen Laune sich noch mehr verschlechtert, haben die kleineren Vögel für den Rest der Zeit, den wir hier zusammen verbringen müssen, ein ganz schlimmes Leben“.

„Nein, erwiderte ihr Hahn. Das mache ich. Er zögerte auch nicht lange sondern verließ das erste Mal seit über 40 Tagen den Platz, auf dem er bisher gesessen hatte und flog zu Jafet, weil er in diesem Moment, Noah nirgends sehen konnte.

Jafet war zwar einen kleinen Augenblick erstaunt, weil Frada sich keck auf seine Schulter gesetzt hatte, doch böse war er darüber nicht. Im Gegenteil, er freute sich sogar darüber. „ Du Jafet, ich müsste ganz dringend deinen Vater sprechen. Kannst du mir sagen, wo ich ihn finden kann“?

„Hm, machte Jafet. Das ist schwierig. Weil, wenn ich dir den Weg erkläre, wie du auf das Deck fliegen kannst, wo mein Vater gerade arbeitet, dann müsstest du an den Raubkatzen vorbei fliegen und ich möchte wirklich nicht riskieren, dass du ein Opfer von ihnen wirst“. Doch genau in diesem Moment, kam Noah die Treppe herunter. Frada bedankte sich bei Jafet und flog zu Noah.

„Du Noah, hast du einen kleinen Augenblick für mich Zeit“? Noah sah sich den kleinen Papageienhahn einen Augenblick an, setzte sich auf einen Stuhl und schlug die Beine übereinander. Auch er musste einmal eine Pause machen und in dieser Zeit, konnte er ja dem kleinen Papagei auch zuhören.

 

„Was hast du denn auf dem Herzen, mein kleiner Freund“? Fragte Noah. „ Ich glaube, es kommt zu einem Problem bei uns Vögeln. Abaras, der Rabe ist sehr schlecht gelaunt. Aber das nicht nur seit kurzer Zeit, sondern schon seit einigen Tagen und es wird von Tag zu Tag schlimmer mit ihm. Meine Frau und ich haben große Angst, dass er uns kleineren Vögeln etwas antun könnte. Keiner traut sich mehr in seine Nähe. Er hackt sofort nach uns. Ich weiß auch nicht genau, wie ich jetzt wieder auf meinen Platz kommen soll, weil er ja gleich neben mir saß. Er wird sicher sofort nach mir beißen, wenn ich wieder zu meiner Kessie fliegen will. Kannst du da nicht etwas unternehmen, Noah“?

 

Aber Noah war kein dummer Mann. Ihm war das Verhalten des Raben schon eine ganze Weile aufgefallen, doch weil er so viel arbeit hatte, wurde es nur immer wieder von ihm verdrängt. Doch jetzt, wo schon die ersten Vögel zu ihm kamen und sich Rat holten, wurde es Zeit, dass er etwas unternehmen musste. Er nahm den kleinen Frada auf die Hand und brachte ihn zurück. Jetzt wo Noah in der Nähe war, traute sich Abaras natürlich nicht, etwas zu sagen oder gar nach Frada zu hacken. Doch man konnte ihm ansehen, wie zornig und schlecht gelaunt er war.

„Kleo und Abaras, ihr Beiden kommt mit mir. Ich werde euch einen neuen Platz zuweisen“. Kurzerhand nahm Noah die beiden Raben und brachte sie auf das Gatter, wo die Rinder ihren Stammplatz hatten. Dort setzte er sie vorsichtig nieder, damit ihnen auch kein Federchen gekrümmt wurde und sagte:“ Hier werdet ihr sitzen bleiben, bis ich die Türe der Arche wieder öffne. Ich werde Gott befragen, wie lange es noch dauert, bis sich das riesige Wasser da draußen verlaufen hat, so dass wir endlich alle aus der Arche wieder in die freie Natur kommen können“.

 

Obgleich Abaras jetzt viel mehr Platz hatte und kein anderer Vogel mehr in seiner Nähe war, wurde seine Laune aber doch nicht besser. Nach weiteren vier Tagen begann er richtig laut zu werden. Er war mittlerweile so zornig, dass er sich sogar immer wieder auf die Rinder stürzte und sie in ihr Fell biss. Das schadete ihnen nicht, aber sonderlich angenehm war ihnen das Gekrächtse des Raben wohl auch nicht, dann auch sie begannen laut zu muhen und immer wieder versuchen sie den schwarzen Schreivogel mit ihren Hörnern vom Gatter zu schmeißen.

 

Robi und Nelly, das war das Paar Weißhaubenkakadus, das damals mit an Bord war. Sie saßen nicht allzu weit von dem schreienden Raben entfernt. Und nach weiteren zwei Tagen, in dem sich Abaras immer mehr in seine Wut hinein schrie, war es dann mit der Geduld von Robi zu Ende. Er holte tief Luft, sträubte seine Kopfhaube, damit er noch etwas größer wirkte und schrie den Raben an, er solle endlich seinen Schnabel zumachen und einige Stunden still sein, sonst würde er einmal zeigen, wie es aussehen kann, wenn ein Kakadu mal so richtig sauer wird und einem schwarzen Vogel jeder Feder einzeln ausreißt. Für einige Zeit wirkte diese Drohung tatsächlich. Eingeschüchtert, von der gigantisch, lauten Stimme des Kakadus war der Rabe tatsächlich still.

 

„Dem hast du es aber gegeben“, meinte Friedelchen. Friedelchen war eine Taube, die schon seit einigen Tagen gehofft hatte, dass Jemand diesen Raben in die Schranken weisen würde. Und das war ja endlich geschehen. „ Ich bin Friedelchen, die Taube“, stellte der Tauber sich höflich vor. „ Und ich bedanke mich bei dir, dass du für Ruhe gesorgt hast“. Robi legte seine Haube wieder an und nickte. „Das war ja auch nicht mehr zum aushalten. Der ist ja so was von aggressiv geworden, dass ich etwas machen musste. Der greift ja mittlerweile sogar schon die ganz großen Tiere an. Wohin soll das denn noch führen. Wer weiß, wie lange wir hier alle noch zusammen leben müssen“?

 

Aber Noah und seine Söhne hatten das Geschrei natürlich auch gehört und den Beschluss gefasst, dass nun etwas zu unternehmen sei. Also rief Noah den Raben zu sich. „Höre mir gut zu Abaras. Ich habe eine Aufgabe für dich. Du wirst nach draußen fliegen und einmal nachsehen, ob du schon irgendwo, Land entdecken kannst. Mach keine Experimente. Ich will dich nicht verlieren. Auch wenn du mir die ganze Arche in Auffuhr versetzt. Wenn du merkst, dass du müde wirst, flieg nicht weiter, sondern komm sofort zurück“.

Er öffnete eine Luke und ließ den Raben fliegen. Es vergingen einige Tage. Doch Abaras kehrte nicht zurück. Noah machte sich Gedanken und er machte sich Vorwürfe, dass er den Vogel vielleicht viel zu früh hatte fliegen lassen. Traurig setzte er sich auf seinen Stuhl und stellte sich vor, wie der Schreier, in seiner Freude, endlich wieder fliegen zu können, viel zu weit geflogen war und keine Kraft mehr hatte, die rettende Arche zu erreichen. Die Kakadudame Nelly, sah dass Noah sehr traurig war und flog auf seine Schulter. Sie sagte kein Wort zu ihm, doch sie rieb ihre Wange an die Wange von Noah und tröstete ihn damit. Dann kam auch Robi zu ihm und meinte, dass er einen weiteren Vogel hinaus lassen müsse. Denn alle Tiere wollten endlich aus diesem Kahn heraus. Noah zögerte noch einige Tage, gab dann aber dem Rat von Robi nach. „Möchtest du diesen Flug wagen und unternehmen“? Fragte Noah ihn. „Nein, ich habe sicher nicht die Kraft um das zu schaffen. Aber ich weiß einen, der sich die ganzen Tage immer wieder mit Flügeltraining fit gehalten hat. Es ist unsere Taube, Friedelchen. Wenn es einer schaffen kann, dann sicherlich er“. Und gleich rief er Friedelchen zu Noah und sich und fragte ob er das vielleicht machen würde. „

 

Das mache ich gerne für euch. Ich bin froh, wieder meine Flügel gebrauchen zu dürfen. Ich werde sehr hoch fliegen, damit ich einen möglichst weiten Ausblick erhalte. Dabei werde ich aber immer in Kreisen, die ich nur langsam ausdehnen werde immer um die Arche herum fliegen, damit mir nicht das passiert, was Abaras wahrscheinlich passiert ist“.

 

Noah war mit dieser Antwort sehr zufrieden. Friedelchen war ein einsichtiger Vogel, der sich nicht beweisen musste. Er war vernünftig genug um zu wissen, wann er aufgeben musste. Wieder öffnete sich eine Luke und Friedelchen erhob sich in die Lüfte. Er flog langsam, ohne viel mit den Flügeln zu schlagen. Er wollte seine Kräfte schonen um möglichst lange in der Luft bleiben zu können. Langsam schraubte er sich in der Luft immer höher und höher. Es war jedoch außer Wasser nichts anderes zu sehen. Aber es war auch noch recht früh am Morgen und es lag noch sehr viel Dunst in der Luft. Also beschloss er wieder auf die Arche zurück zu kehren und wieder zu starten, wenn die Sonne höher am Himmel stehen würde. Es dauerte einige Stunden, dann startete er seinen zweiten Flug nach oben. Diesmal konnte er schon sehr viel weiter sehen, als es noch am Morgen der Fall gewesen ist und dann sah er ganz weit hinten am Horizont einen dunklen Strich. Mit leichtem Seitenwind ließ er sich darauf zu treiben und er freute sich außerordentlich, als er merkte, dass seine Ahnung sich bewahrheitete und er endlich Land gefunden hatte.

Er behielt aber seine Disziplin bei und verbrauchte so wenig Kraft wie möglich. Das meiste musste der Wind für ihn machen. Er ließ sich also Zeit und von den Winden in Richtung Land tragen. Hier angekommen, sammelte er einen Ölzweig auf den er auf dem Boden fand und flog wieder zurück zur Arche.

 

Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, wie sich alle auf der Arche gefreut haben, dass nun endlich so langsam die Zeit der Enge und der Dunkelheit, die nun mal in der Arche herrschte vorbei sein würde. Nur Kleo war traurig. Sie vermisste ihren Mann, auch wenn er so schlechte Laune gehabt hatte. Sie war traurig, der einzige Rabe auf der ganzen Erde sein zu müssen.

 

Einige Tage dauerte es noch, bis auf einmal ein starker Schlag die Arche zum stehen brachte. Noah öffnete dann die große Türe und ließ alle Tiere nach draußen. So endet eigentlich die Geschichte.

 

„ Das kann doch nicht alles sein. Da fehlt doch noch etwas. Du hast doch immer bei deinen Geschichten, eine Kleinigkeit, die jeden zum Nachdenken anregen kann, oder? Ist es diesmal auch so“? Fragte mich Neelix

Doch bevor ich noch antworten konnte, kam schon eine weitere Frage von Tijalk:“ Was ist denn jetzt mit dem Raben geworden und was wurde aus seiner Frau“?

 

Tja, sagte ich. Hier kommt die Pointe, meine Lieben, auf die ihr ja immer wartet. Nun, wie ihr selber wisst, gibt es ja Raben. Also ist Abaras nicht ertrunken. Er hatte sich aus dem Staub gemacht und es war ihm egal, was aus den Anderen wurde. Nicht jeder, der laut schreit und nicht jeder, der gleich nach einem anderen beißt oder hackt, ist der bessere Vogel. Im Gegenteil. Solche Tiere, und auch solche Menschen sind meist die, die es faustdick hinter den Ohren haben.

 

Und nun möchte ich auch, dass bei euch wieder Frieden einkehrt. Keine Großtuerei mehr und kein, ich bin älter oder ich bin besser. Ihr wisst nun, dass alle Tierfamilien gleich alt sind. Denn ihr erster Geburtstag, oder wie Tijalk sagt, ihr erster Schlupftag, war der Tag, an dem sich die Türe der Arche wieder geöffnet hat. Ich denke, ihr habt mich alle genau verstanden, nicht wahr?

 

Langsam und ein wenig nachdenklich flogen die Drei wieder auf ihren Käfig und ich hörte sie nur noch leise mit einander tuscheln. Ich lächelte vor mich hin und schaltete den Fernseher wieder ein.

 

 

Ende.

 

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